Die Ausgangslage
Die Markenrezepte in der deutschen Bekleidungsindustrie belasten sich nicht mit Konvention.
Man nehme eine bekannte Lizenzmarke, bediene sich einer Mustergruppe zur Herstellung der Kollektion, produziere Massenware in einem Billiglohnland und verkaufe daheim zu abgehobenen Preisen. Habe Ansprüche gesenkt – Preise bleiben exklusiv.
Man nehme das Telefonbuch von Mailand zur Hand, bilde einen Namen und versuche diesen so zu etablieren, daß der Handel womöglich gezwungen wird, ihn zu kaufen. Man etabliere Pilotgeschäfte und Shops-in-the-Shop, sowie einen starken Fabrikverkauf, um der Handelsstufe zu zeigen, wie man eine Marke fördert.
In Frankreich sind namhafte Modehäuser in den 30er Jahren gegründet worden und haben sich über die Jahrzehnte vom Prominentenschneider zur Haute Couture entwickelt. Die deutschen Modeunternehmen stammen aus den Sechzigern und mußten von vornherein, der damaligen Zeit entsprechend, Marktbedürfnisse befriedigen. Der Bekleidungsindustrie fehlen daher Prestige und Stiltradition für gültige Marken.
Es gibt wenige deutsche Marken, die Rückhalt beim Verbraucher haben und diese werden derzeit durch Fremdfertigung und Zweitlinien eher demontiert. Das Heer der Phantasiemarken kennt der Kunde ohnehin nicht. Diese Etiketten sind allenfalls Hinweis auf einen gewissen Wert, bei naturgemäß hoher Austauschbarkeit.
Markenprodukte werden in der Vorstufe satt kalkuliert. Hersteller verweisen auf die Qualitätsanforderungen, sowie die immer höher werdenden Kreativ-kosten und Lizenzgebühren. Vielfach ist Markenware dadurch in ein Kaufkraftsegment geraten, für das die Mengenvorstellungen der Industrie zu hoch sind.
Das typische Markenprodukt braucht von der Modellentwicklung bis zur Auslieferung 9 Monate. Die daraus entstehenden Dispositionsrisiken sind vom Handel zu tragen. Auch gibt es zu wenig Markenquellen, um Erfolgsmodelle im Laufe einer Saison kurzfristig nachzuziehen. Natürlich braucht der Handel echte Herstellermarken, es entsteht aber die Frage der Dosierung. Eine zu große Markenansammlung bewirkt, daß die einzelne Marke nicht mehr angemessen placiert werden kann. Oft symbolisieren Marken am „Point of Sale“ schon das ganze Angebot, die Kreativität des Handels wird aus dem Geschäft verbannt. Es fehlt das eigene Profil um Loyalität beim Kunden zu erreichen. Herstellermarken bieten dem Handel bestenfalls Exklusivität, garantierte Qualität, Kreativität im Styling und werbliche Unterstützung. Sie haben aber auch gravierende Nachteile.
So räumen Marken dem Handel in der Regel eine mäßige Kalkulation ein. Sie zwingen zu frühen und hohen Vororders. Die Gummitermine nerven und Nachorders sind oft schwer möglich. Die Abschriften sind häufig zu hoch, der Umschlag zu niedrig.
Entweder werden Marken an einem Standort zu oft angeboten, so daß sich die Eigenständigkeit der einzelnen Häuser verwischt oder der Konkurrent von gegenüber hält die Exklusivrechte. Im Handel entsteht eine Ähnlichkeit der Sortimente, viele Geschäfte in Deutschland sehen unendlich gleich aus.
Negative Aspekte sind außerdem hohe Abnehmer-Quoten, zu starke Bindung an einen Hersteller und die Risiken von Markenwechsel. Category-Killers sichern sich bekannte Marken, um den Markt mit Preisvergleichen zu beunruhigen.
Designer-Programme haben zumeist die Schallgrenze ihrer Preise überschritten. Die Designer-Label sind jetzt da, wo die Haute-Couture schon angelangt ist. Die potentielle Kundenschicht wird schmal. Zweit- und Drittlinien überschneiden sich in vielen Geschäften. Bei vielen Couture-Marken ist Stil kaum noch zu erkennen. In den Modemetropolen werden Klamaukideen vorgestellt, die dem Image der Lizenzartikel eher schaden. Eine Mode in Endzeitstimmung, die normale Verbraucher auch nicht in der Abschriftenphase kaufen würden.
Marken, die bereit sind, ihren Wert zu liquidieren, hinterlassen „Fashion Victims“, also Verbraucher, die sich nach einer Enttäuschung den Marken skeptisch nähern. Immer öfter kommentiert der Handel:
• Klingen tut’s gut – klingeln tut‘s nicht • Starke Marken – stark reduziert • Noble Marken – rote Zahlen.
Trotz Alledem, der Facheinzelhandel identifiziert sich stark mit Herstellermarken. Es ist ja auch unwahrscheinlich, daß die Zuflucht zu einer Hausmarke ein Unternehmen von den Massenanbietern distanzieren und gleichzeitig die Gewinnmargen verbessern kann. Offensichtlich kommt es auf die Qualität der Marke und das dahinter stehende Konzept an. Im Grundsatz wird angenommen, daß das Markenbewußtsein der Verbraucher zunehmen wird: Starke Marken in labilen Zeiten.