Die Zielgruppe
Der Griffe Charles Austen wendet sich an eine Gesellschaftsschicht „Society-Gruppe“ welche bereit ist, kultivierten Lebensstil „Lifestyle“ zu entwickeln, darzustellen und auch zu finanzieren. Sie ist keineswegs homogen, eint sich aber durch Professionalität im Geniessen. Während die breite Masse „Publikum“ in den Großstädten jedwede Lebensform toleriert, sich befreit, alle Grenzen und Tabus aufhebt, unterwirft sich die Society-Gruppe modischen Trends. Sie sucht identitätsvermittelnde Formen des Konsums statt Massenkonsum und diskrete Abgrenzung durch kulturelles Niveau, persönliches Prestige und vor allem berufliche und sportliche Ambitionen. Ihre Mitglieder finden, meist unbewußt, gesellschaftliche Einordnung in exklusiven Marken und deren „Lifestyle-Produkten“, einer ganz typischen Mischung von selektivem Luxus und spezifischer Funktionalität.
Wer sich in die Society-Gruppe, auch nach dem Kriterium verfügbarer Mittel, einreihen läßt, gilt als „arriviert“. Zerrbild des Arrivierten ist der Snob oder Parvenue im „Jetset“.
Die gefundene Schublade ist sogleich zu relativieren: Gerade die Kleidermode ist leichtfüßig, sie konfrontiert sich nicht, sie läßt sich nicht vereinnahmen und kennt nur die Grenzen des kultivierten Geschmacks.
Wer gut aussieht hat es leichter im Leben. Wir beurteilen Menschen zuerst nach ihrem äußeren Eindruck, nach Erscheinung, Gesicht, Haltung, Kleidung, ohne daß wir das Wesen, den Charakter und die wahren Stärken kennen, oder auch nur die Zeit dafür verwenden können. Ambitionierte Menschen erfassen das und können sich durch Anpassung und äußerliche Attribute der Society nähern. Diesen, oft sehr jungen modischen „Aufsteigern“ gehört die besondere Aufmerksamkeit der Markendisposition, insbesondere auf dem Feld der Einstiegspreislagen. Zerrbild des Aufsteigers ist der Modefreak, ein Freund von Grundfarben und lauten Extravaganzen. CHARLES AUSTEN definiert ein „Lifestyle-Konzept“, materialisiert in Mode, Accessoires und Gebrauchsgegenständen „Kollektion“ für die Schönen und Reichen mit dezentem Geschmack. Die Zielgruppe stößt nach oben an den Jetset und ist nach unten abgehoben vom Publikum. Sie ist äußerst inhomogen und daher zu segmentieren. Sie ist äußerst aktiv und deshalb nur mit einem dynamischen Konzept zu erfassen.
Die Segmentierung der Marke und Kollektion orientiert sich an Strukturen der Zielgruppe. Die Strukturen oder „Charaktere“ unserer Zielgruppe spalten alle Aktivitäten von der Warendisposition bis zum Verkaufsgespräch. Es hilft, sie zu schematisieren:
Die Konservativen, gekennzeichnet durch hohes Arbeitsethos, Sparsamkeit und Reserviertheit. Sie neigen zu autoritären Ansichten, Puritanismus, Massengeschmack und zur Passivität. Diese Gruppe ist sehr preisbewußt, bevorzugt ein übersichtliches Warenangebot und kompetente Beratung.
Die Realisten, ihr Lebensethos heißt Erfolg. Sie entwickeln einen Hang zum schönen und guten Leben. Sie sind aktive und berechenbare Konsumenten, zwar preisbewußt und nicht sehr innovationsfreudig, aber bereit, für eine Marke, die Qualität und Prestige garantiert, viel auszugeben.
Die Progressiven, sie sind aktive Menschen, extrovertiert und hedonistisch. Sie lieben Abwechslung, Aufregung und intensives Erleben, sind der Erotik zugetan, der Arbeit weniger. Technische Aspekte gehen vor Prestige und Luxus. Die Progressiven sind an Neuigkeiten und originellen Ideen interessiert.
Die drei beschriebenen Charaktere gehen zu jeweils einem Drittel in die Society-Gruppe ein. Außerhalb unseres Interesses stehen die Idealisten, welche unsere Luxusartikel rundweg ablehnen. Die Markenaussage und das Angebot müssen an die Zeitströme dynamisch angepaßt werden oder diese sogar antizipieren. Die anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit in Deutschland tangiert den Lebensstil. Die Society-Gruppe ist zwar nur marginal betroffen, entwickelt aber Temperamente, die auf zwei Verhaltensmuster reduziert werden können:
Der Klammerer stützt sich auf materielle Werte, die er bereits besitzt. Seinem Sicherheitsbedürfnis entsprechend, neigt er dazu, den Konsum kräftig einzuschränken und in dauerhafte Werte zu investieren.
Der Lavierer wird durch Schwierigkeiten kreativ, hat progressive Wünsche und Ziele, nur lassen sich diese nicht mehr so leicht verwirklichen.
Schwache Zeiten – starke Marken. Die Philosophie der Marke soll gerade jetzt Impulse geben. In den Achzigern wurden in Deutschland jährlich 12 Millionen Anzüge verkauft, heuer werden gerade 3 Millionen erreicht. Während gute DOB zu klassischen Designs und Rocklängen zurückkehrt, haben gestandene HAKA-Produzenten die Marktchancen von Farbigkeit, Mustermix, Hip-Hop, Grunge, Layering, Ethno, Purisme, Nature, Retro, New Hippie, Dandy, Fridaywear und Casual getestet. Der so umworbene Softie muß aber jetzt gerade im Wirtschaftsleben seinen Mann stehen. Das Modeangebot verfehlt das Thema und die Chance, einen neuen Business-Anzug zu beleben. Stoßrichtung eines Austen-Programms 2007 ist also nicht freie Kreativität, sondern Stil, Gültigkeit, schlichte Eleganz, Funktionalität und ein ausgezeichnetes Preis-Leistungsverhältnis. Über dieser Sachlichkeit steht immer noch die Imagination der Marke, ihr Erfolgskriterium, für das nur die Franzosen das richtige Wort besitzen: Séduction, Verführungskraft. „La séduction d’un style“. Die Magie der schönen Dinge nutzen, sie mit Phantasie inszenieren.